Minimalismus vs. Emotion – der Balanceakt moderner Marken
Ein disruptives Wirtschaftsumfeld, schwankende Absatzmärkte, Reizüberströmung der potenziellen Kunden und der digitale Wandel fordern Unternehmen in immer schnelleren Zyklen dazu auf, sich ständig neu zu erfinden. Auch Traditionsmarken passen sich ständig an, um im modernen, digitalen Zeitalter überzeugend aufzutreten.
Ein aktuelles Beispiel hierfür ist das überraschende „Redesign“ des Mercedes-Benz-Logos. Unvorbereitet und ohne große Ankündigung wurde der berühmte dreizackige Stern im Kreis in eine minimalistische, flache Form überführt – einfarbig in Weiß oder Schwarz, je nach Anwendungsbereich. Auf digitalen und analogen Medien sollen so Klarheit, Modernität und Funktionalität im Vordergrund stehen, während der klassische, metallisch-3D-erhabene Stern auf den Fahrzeugen seine traditionelle und ikonische Ausstrahlung behält. Diese differenzierte Anpassung bricht mit der langen Designhistorie des Unternehmens und zeigt, wie selbst gewachsene Marken sich neu erfinden können, bzw. müssen, ohne dabei ihren Kern zu verlieren.
Fun Fact am Rande: dieses Redesign wurde bereits 2007 entwickelt und eingeführt. Doch schon nach drei Jahren wurde das minimalistische Design wieder gegen die glänzende dreidimensionale Darstellung getauscht, dies auf Betreiben des damaligen Daimler-Vorstands Dieter Zetsche. Ihm fehlte im Logo schlicht die Assoziation zur „glänzenden“ Markenqualität des Autobauers.
Der „Death of the Detail“ als strategischer Ansatz
Der aktuell allgegenwärtige Design-Trend „Death of the Detail“ basiert auf der bewussten Reduktion überflüssiger Elemente, um in einer von kleinen Bildschirmen und digitalen Anwendungen geprägten Welt für klare Strukturen zu sorgen. Die Reduktion von Details dient nicht nur der Schlichtheit – sie soll vor allem die visuelle „Kernbotschaft“ einer Marke stärker in den Fokus rücken. Mercedes-Benz hat diesen Trend nun konkret umgesetzt, indem das ikonische 3D-Logo auf den virtuellen Plattformen in eine flache, zweidimensionale Version eingedampft wurde. Dabei wird die langfristige Vision von Gottlieb Daimler – Land, Wasser und Luft – symbolisch beibehalten, auch wenn der einst detailreiche Glanz, früher z. T. mit Lorbeerkranz, dem digitalen Anspruch weicht und auf ein radikales Minimum reduziert wird.
Beispiele
Es gibt nahezu unbegrenzt viele Beispiele von Markenaktualisierungen / Redesigns in der jüngsten Zeit. Dies betrifft sowohl kleine mittelständische Unternehmen als auch große internationale Marken. Hier ein paar Beispiele.
Chancen: Modernität, Wiedererkennung und Flexibilität
Der gestalterische Minimalismus bietet eine ganze Reihe von Vorteilen, die auch mittelständische Unternehmen nutzen sollten:
- Zeitgemäße Ausstrahlung: Minimalistische Designs wirken modern, elegant und auf den Punkt gebracht. Sie signalisieren Innovationsfreude und zeigen, dass die Marke (und damit das Unternehmen dahinter) am Puls der Zeit agiert.
- Erhöhte Wiedererkennung: Schlichte, reduzierte Logos bleiben tatsächlich oft besser im Gedächtnis. Dies ist besonders in der digitalen Kommunikation von Vorteil, wo Logos auf mobilen Geräten und in kleinen Formaten präsentiert werden.
- Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Ein minimalistisches Design lässt sich leichter an unterschiedliche Plattformen – von Webseiten über Apps bis hin zu Social Media – adaptieren.
- Klare Kommunikation: Reduzierte visuelle Ablenkung ermöglicht es, die wesentlichen Werte und Botschaften der Marke deutlich herauszustellen.
Diese Vorteile sehen wir auch bei anderen weltweit bekannten Marken wie Apple, Nike oder Google. Die klare, reduzierte Bildsprache macht sie einzigartig und leicht adaptierbar für verschiedene Einsatzbereiche.
Herausforderungen: Identität, Emotion und Differenzierung
Der heroisierte Minimalismus birgt allerdings auch Risiken, die es zu beachten gilt:
- Verlust der Markenidentität: Bei zu starker Reduktion können markenspezifische Details verloren gehen. Was Verbraucher über Jahre hinweg mit einer Marke assoziiert haben, riskiert in der Vereinfachung fast zu verschwinden.
- Gefahr der Austauschbarkeit: Viele minimalistische Designs ähneln sich. Ohne ein markantes Alleinstellungsmerkmal besteht die Gefahr, dass sich das Erscheinungsbild mit anderen, ähnlich gestalteten Marken vermischt.
- Emotionale Distanz: Detailreichtum kann Geschichten erzählen und eine emotionale Bindung schaffen. Ein zu nüchternes, reduziertes Design kann auch die als charakteristisch empfundene Tiefe, sprich: den unverwechselbaren Wert einer Marke abschwächen.
Ein prominenter Fall – der sich tatsächlich schon vor 15 Jahren ereignete – ist das Tropicana-Rebranding, durch das die US-Verbraucher echte Schwierigkeiten hatten, die Marke / das Produkt wieder zu erkennen.
Tropicana, ein Tochterunternehmen von PepsiCo „verbrannte“ 2008 mit seiner Werbeagentur in wenigen Monaten sage und schreibe 35 Millionen US-Dollar für das Rebranding, ein neues Packungsdesign und die Kommunikation dessen. Die direkte Quittung war, dass der Umsatz bereits im ersten Monat nach der Markteinführung um 20 Millionen US-Dollar einbrach. Kein guter Deal. Bereits nach einem Monat warf man bei Tropicana das gesamte Konzept über Bord und kehrte zur ursprünglichen Marken- und Verpackungs-Gestaltung zurück.
Lektionen für mittelständische Unternehmen
Was können mittelständische Unternehmen aus diesen Entwicklungen lernen? Zum einen zeigt das Beispiel Mercedes-Benz, dass Minimalismus mehr als ein reiner Design-Trend ist – er ist Teil einer umfassenden, strategischen Neuausrichtung im digitalen Zeitalter. Für den Mittelstand, der oft mit begrenzten Ressourcen umgeht, ist es essenziell, in Zeiten sich rasch ändernder Marktbedingungen einen klaren und anpassungsfähigen Markenauftritt zu haben.
Dabei empfiehlt sich:
- Bewusste Balance zwischen Tradition und Moderne: Halten Sie an den Kernelementen Ihrer Marke fest, während Sie das Design modernisieren. So sichern Sie sowohl die Emotion als auch die Wiedererkennbarkeit.
- Tests und Kundenfeedback einbeziehen: Vor einer vollständigen Umstellung prüfen Sie den neuen Auftritt in verschiedenen digitalen und analogen Kontexten. Die Zielgruppe sollte den neuen Look positiv aufnehmen.
- Langfristige Strategie verfolgen: Minimalismus ist ein strategischer Schritt, der in Ihre gesamte Markenstrategie eingebettet sein sollte und nicht als isolierte Maßnahme betrachtet wird.
Fazit
Die Redesigns der Logos von Mercedes-Benz, Audi, BMW, Volkswagen und Mastercard sind Paradebeispiele dafür, wie minimalistische Ansätze traditionelle Marken modernisieren können, ohne deren Identität zu verwässern. Für mittelständische Unternehmen bedeutet dies, dass der Weg in die digitale Zukunft über klare, zeitgemäße und flexible Designs führen kann. Dennoch gilt es, die Balance zu wahren, um emotionale Bindungen und den charakteristischen Markencharakter nicht zu verlieren.
Blinder Aktionismus ist also fehl am Platze – Handlungsbedarf besteht dennoch. Am besten man holt sich fachkundigen Rat von außen. Die Experten von modus_vm, mit bald 25 Jahren Erfahrung im Aufbau und der Entwicklung von erfolgreichen Marken, beraten mittelständische Unternehmen jederzeit gerne und kompetent beim Weg in eine erfolgreiche Zukunft.
Zum Autor
Ingo Vögele, Gründungsmitglied im ExpertenRing Stuttgart, ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der modus_vm GmbH & Co. KG – Unternehmensberatung für modulares Marketing, mit Sitz in Stuttgart. Mit über 25 Jahren Erfahrung in der strategischen Beratung mittelständischer Kunden, begeistert er seine Kunden mit kreativen Lösungen rund um die Themen Marketing, Vertrieb, Kommunikation, Kundengewinnung und Kundenbindung. Darüber hinaus ist Ingo Vögele als Buchautor sowie Blogger aktiv und veröffentlicht der regelmäßig interessante Beiträge auf seinem Portal unter www.unternehmer-impulse.de.