Integration als Zwei-Bahn-Straße

Elke Müller über gelungene Integration in Unternehmen

Integration als Zwei-Bahn-Straße: Wie Unternehmen ihre soziale Verantwortung wahrnehmen müssen

Das Thema Integration und eine gelebte Willkommenskultur waren selten so relevant wie heute und gleichzeitig auch so kontrovers diskutiert. Angesichts der Migrationsbewegungen aus Kriegsgebieten wie der Ukraine und Syrien sowie der gezielten Anwerbung internationaler Fachkräfte, steht unsere Gesellschaft vor der Herausforderung, eine gelebte Willkommenskultur zu etablieren. Doch während Integration Chancen bietet, spaltet sie auch die Meinungen. Diskriminierung und Hass prägen den öffentlichen Diskurs, und rechtspopulistische Strömungen fordern sogar eine ‚Remigration‘, also die Rückführung unerwünschter Zuwanderer*innen. In diesem Spannungsfeld setzen wir uns bei compass international bewusst für eine nachhaltige Integration ein und stellen uns gegen ein solches Weltbild. Denn Integration bedeutet mehr als bloße Anpassung – sie erfordert interkulturelle Kompetenz, ein Diversitätsbewusstsein und das Engagement aller Beteiligten.

 

Integration braucht interkulturelle Kompetenz

So ziemlich alle Unternehmensbereiche durchlaufen deutschlandweit seit vielen Jahren einen Prozess der Internationalisierung. Interkulturelle Kompetenz und diversitätsbewusstes Handeln sind auf allen Ebenen gefragt, unerlässlich und ein wichtiger Baustein zur Integration. Und doch werden diese Themen noch immer sehr stiefmütterlich behandelt. Workshops zur Sensibilisierung kosten Geld – keine Frage! Aber was ist der Preis, wenn gerade mal neu angekommene internationale Mitarbeitende noch in der Probezeit kündigen, weil sie sich nicht zurechtfinden oder sich nicht wertgeschätzt fühlen?

Es ist eine Tatsache, dass die Fluktuation bei den internationalen Mitarbeitenden recht hoch ist – aber das liegt nur zu einem kleinen Anteil an diesen Menschen selbst. Einen größeren Anteil hat die nicht vorhandene interkulturelle Kompetenz oder die fehlende Willkommenskultur!

 

So gelingt eine erfolgreiche Integration

Integration im Unternehmen sollte das Ziel verfolgen, allen Mitarbeitenden das Gefühl von Zugehörigkeit oder ‚Belonging‘ zu geben. Meiner Meinung nach trägt ein Unternehmen damit auch einen Teil dazu bei, den Zusammenhalt in der ganzen Gesellschaft zu stärken. Respekt, gegenseitiges Vertrauen, ein Zugehörigkeitsgefühl und gemeinsame Verantwortung sind entscheidende Bausteine für ein funktionierendes Zusammenleben. Tatsächliche Teilhabe in allen Bereichen – also am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben – ist entscheidend für eine nachhaltige Integration.

Nicht selten wird Integration aber als ein „sich in feste Strukturen eingliedern“ verstanden, also eher als das vollständige Übernehmen der Regeln, Normen und Werte. Darunter verstehe ich allerdings eher Assimilation und sehe das nicht als zielführend. Denn es ist eine Tatsache, dass sich Kulturen vermischen. Gut zu beobachten ist das bei multikulturellen Teams: Da entsteht – auch völlig ohne Zutun – eine neue Teamkultur, die Bestandteile der Kulturen der Teammitglieder und der bestehenden Unternehmenskultur enthält. Mit Zutun, also beispielsweise mit einem interkulturellen Teamtraining, kann ganz bewusst an dieser neuen Kultur gearbeitet und alle kulturellen und vielfältigen Anteile können wertschätzend eingebracht werden.

 

Integration ist immer eine Zwei-Bahn-Straße …

… und verlangt Engagement auf allen Ebenen und von allen Beteiligten! Es gibt keine „privaten Anteile“ von Integration. Unternehmen haben auch eine Verantwortung für die soziale Integration ihrer internationalen Mitarbeitenden – und nicht zu vergessen – auch ihre Familien. Dazu gehören die Förderung der Sprachkompetenz und Workshops zur interkulturellen Kompetenz – für die Mitarbeitenden und alle Familienmitglieder. Selbstreflexion, Perspektivwechsel und eine gute Kommunikation mit allen Beteiligten sind wegweisend.

 

Ein Großunternehmen zeigt, wie es geht

Schon vor vielen Jahren hat beispielsweise das Einrichtungshaus IKEA gezeigt, wie mit einfachen Aktionen Wertschätzung vermittelt werden kann. Während des Ramadans, dem Fastenmonat der Muslime, hat der Möbelriese seine Arbeitsbedingungen angepasst, um den Bedürfnissen seiner Mitarbeitenden gerecht zu werden. So wurde die Betriebskantine auch für die Nachtschicht geöffnet, damit praktizierende Muslime in Ruhe ihr Fastenbrechen praktizieren konnten und nicht hungrig arbeiten mussten. Bevor IKEA sich zu diesem Schritt entschloss, haben muslimische Mitarbeitende Urlaub genommen bzw. nehmen müssen, wenn sie fasten wollten. Eine herzliche und einfache Geste, die zeigt, dass man auch in einem multinationalen Konzern die Bedürfnisse einer Minderheit wahrnehmen und in die eigenen Routinen umsetzen kann. Das ist kein neues Beispiel, aber eines, das meiner Meinung nach zeigt, dass kleine Schritte große Wirkung haben können.

 

Mein Appell an alle Leser*innen

Gelungene Integration bedeutet, sich einer Gemeinschaft zugehörig zu fühlen. Sie bedeutet die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses, wie wir in Organisationen und der Gesellschaft zusammenleben und miteinander umgehen wollen. Integration kann nur als wechselseitiger Prozess gelingen und setzt das Engagement aller voraus. Erst so kann unsere demokratische Grundordnung – Gleichberechtigung, Toleranz und Freiheit – weitergegeben werden. Daher mein Appell an alle Leser*innen: Aktive Arbeit an der Integration schafft ein gemeinsames Zusammenleben. Sie baut Brücken zwischen Kulturen und ermöglicht einen Umgang auf Augenhöhe und die Wertschätzung kultureller Besonderheiten. Kleine, aber bewusste Gesten vermitteln diese Wertschätzung und Respekt und sorgen für ein Gefühl von ‚Belonging‘. Darum sind bewusste Integrationsmaßnahmen in Unternehmen unverzichtbar und eröffnen weitere Handlungsspielräume.

 

Zur Autorin:

Elke Müller und ihre compass international gmbh sind seit über 25 Jahren Ansprechpartner*innen für kultursensible und diversitätsbewusste Themen in der Personalentwicklung, als Beraterin zeigt sie ihren Kund*innen, wie die Rekrutierung, das Onboarding und die Integration internationaler Fach- und Führungskräfte gelingt oder wie Diversität zu einem Erfolgsfaktor wird.

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