Das neue Lieferkettengesetz – Praxistipps für Mittelständler

Lutz Berners mit einem Blogbeitrag über das neue Lieferkettengesetz

Das neue Lieferkettengesetz – Praxistipps für Mittelständler

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie kämpfen Unternehmen mit der Resilienz ihrer globalen Lieferketten. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verschärfte die Situation für die Wirtschaft zusätzlich. Innerhalb weniger Monate geriet das Geschäftsmodell der global vernetzten Produktionsstrukturen ins Wanken.

Genau in dieser Phase der Unsicherheit, in der die deutsche Industrie ihre Lieferstrukturen neu ordnet, tritt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft.

Was auf den ersten Blick als ein zusätzlicher bürokratischer Mehraufwand ohne wirtschaftlichen Nutzen erscheinen mag, kann bei genauerer Betrachtung nützliche Hilfestellungen bieten, insbesondere im Mittelstand. In unserer Beratungspraxis spielt das Thema der nachhaltigen Lieferketten bereits seit fast einem Jahrzehnt eine zentrale Rolle, insbesondere auch für Mittelständler. Verkürzt gesagt: Der Mittelstand kann, aber muss nicht. Und hieraus ergeben sich besondere Chancen für Mittelständler. In diesem Blogbeitrag fasse ich zusammen:

  1. Das LkSG wirkt auf die meisten Mittelständler nur indirekt, was zu wenig Zusatzaufwand führt;
  2. Die meisten internationalen Lieferanten, die für deutsche mittelständische Industriebetriebe arbeiten, werden bereits von LkSG-gebundenen Großunternehmen betreut;
  3. Durch das LkSG ergeben sich besondere Chancen für Mittelständler
  4. Handlungsempfehlungen für den Mittelstand

 

Die Grundlagen: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

Das im Jahr 2021 verabschiedete deutsche LkSG, auf das viele Jahre hingearbeitet wurde, verpflichtet deutsche Unternehmen, die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz in ihren Lieferketten zu gewährleisten. Die im Jahr 2022 von der EU-Kommission vorgeschlagene entsprechende EU-Richtlinie wird ähnliche Regeln für ganz Europa einführen und die (im deutschen LkSG etwas schwach ausgeprägten) Anforderungen an den Umweltschutz stärker hervorheben.

Die Kernpunkte sind:

  • Betroffene Unternehmen haben die Pflicht, ihre Sorgfaltspflichten gegenüber ihren direkten Zulieferern aktiv auszuüben.
  • Bei substantiierter Kenntnis von Verstößen bei indirekten Zulieferern: Pflicht zu Abstellmaßnahmen auch bei indirekten Zulieferern
  • Allgemein sind die Unternehmen zum Bemühen verpflichtet, nicht aber unbedingt zum Erfolg.

Das LkSG gilt ab 01.01.2023 für deutsche Unternehmen mit 3000 oder mehr Mitarbeitern weltweit. Später gilt es auch für Unternehmen ab 1000 Mitarbeitern.

Detailliertere Ausführungen würden hier zu weit gehen; hierfür gibt es inzwischen eine große Auswahl an Überblicken, Erläuterungen und Schulungen, sowohl von Industrie- und Handelskammern als auch von gewerblichen Anbietern. Hierzu mehr am Ende des Artikels.

 

Das LkSG wirkt auf die meisten Mittelständler nur indirekt, was zu wenig Zusatzaufwand führt

Die meisten Mittelständler haben weniger als 1000 Mitarbeiter, geschweige denn 3000 Mitarbeiter. Daher findet das Gesetz auf die meisten Unternehmen keine direkte Anwendung. Indirekt betrifft das LkSG allerdings auch Mittelständler, denn sie beliefern oft große Unternehmen, die direkt vom LkSG betroffen sind. In dem Fall werden die Kunden von den Mittelständlern ein entsprechendes LkSG-konformes Lieferantenmanagement einfordern.

Mittelständler müssen ihren Kunden in solchen Fällen bestätigen, dass sie ihre Lieferketten LkSG-konform führen. Aber auch in anderen Fällen sind Mittelständler vom LkSG indirekt betroffen. Sie stehen oft im direkten Wettbewerb zu größeren Unternehmen, die vom LkSG betroffen sind. Insofern werden auch die Mittelständler den Druck spüren, ihre Lieferketten gemäß den Vorgaben des LkSG zu führen.

Somit strahlt das LkSG über die direkt betroffene Unternehmenstypen hinaus indirekt in die gesamte Wirtschaft. Der konkrete Druck auf Mittelständler ist in den meisten Fällen jedoch begrenzt.

 

Die meisten internationalen Lieferanten, die für deutsche mittelständische Industriebetriebe arbeiten, werden bereits von LkSG-gebundenen Großunternehmen betreut

Zudem ist es für Mittelständler in vielen Fällen kaum Zusatzaufwand, Selbstbewusstsein bezüglich der LkSG-Kompatibilität der eigenen Lieferketten zu entwickeln. Mittelständler arbeiten ja in meisten Fällen bereits mit solchen internationalen Lieferanten, die auch große Unternehmen beliefern. Wenn andere Kunden der Lieferanten unter das LkSG fallen, dann ist dies für die mittelständischen Kunden ein Indiz dafür, dass die Lieferanten wenig Risiko darstellen.

Wir betreuen für deutsche Mittelständler fortlaufend mehrere Dutzende chinesische Lieferanten. Im zweiten Halbjahr 2022 begannen einige unserer Kunden damit, ihre Lieferanten bezüglich LkSG-Kompatibilität anzusehen. Bis auf einen einzigen sind alle dieser Lieferanten auch für deutsche Großkonzerne tätig. Das ist eine gute Grundlage für ein gesundes Selbstbewusstsein bei unseren Kunden, dass ihre Lieferketten LkSG-kompatibel sind.

 

Durch das LkSG ergeben sich besondere Chancen für Mittelständler

Die Grundlagen stimmen bei den Lieferanten also bereits – die großen Unternehmen haben die Basisarbeit bereits erledigt. Nun schlägt die Stunde des Mittelstands. Durch die im Mittelstand übliche starke Personen- und Vertrauensorientierung können unsere Kunden mit ihren Lieferanten weiterführende Gespräche führen. Wie geht man als Mittelständler mit den Forderungen der Großunternehmen um? Wie kann man Kosten-Nutzen-optimiert vorgehen? Welche Forderungen sind tatsächlich gesetzlich bedingt, und welche sind eher geschäftsstrategischer Natur? Dies sind Themen, die Lieferanten naturgemäß nicht mit professionellen Einkaufs- und Lieferantenentwicklungsorganisationen von Großunternehmen besprechen können.

Mit einem mittelständischen Kunden hingegen schon. Und zwar sowohl auf mittelständischer Unternehmerebene, also „unter Gleichen“, als auch mittels professioneller Lieferantenmanager (z.B. Berners Consulting). Wir erleben in unserer Beratungspraxis regelmäßig, dass chinesische Lieferanten, die üblicherweise Großkonzerne beliefern, unsere Kunden (mit relativ kleinen Einkaufsvolumina) mit Priorität behandeln, weil sie einen Mehrwert in der Beziehung sehen.

Das LkSG ist in unserer Erfahrung daher für den Mittelstand sehr nützlich: Es bietet einen guten Gesprächsinhalt, um Beziehungen mit internationalen Lieferanten zu stärken. Gleichzeitig stellt es wenige konkrete Anforderungen an mittelständische Unternehmen, so dass der obligatorische Zusatzaufwand überschaubar bleibt.

 

Handlungsempfehlungen für den Mittelstand

  • Verstehen Sie die direkten und indirekten Auswirkungen des LkSG (und, perspektivisch, der EU-Lieferkettenrichtlinie)
  • Verstehen Sie die Strukturen Ihrer eigenen Lieferketten
  • Identifizieren Sie Schlüssel-Parameter, die Sie bei Ihren Lieferanten abfragen können, um Ihr eigenes Selbstbewusstsein bezüglich der LkSG-Kompatibilität Ihrer Lieferketten zu stärken (z.B. LkSG-gebundene Referenzkunden, Umwelt- und Arbeitsschutz-Aktivitäten der Lieferanten, Zertifizierungen etc.)
  • Suchen Sie das direkte Gespräch mit Ihren internationalen Lieferanten, insbesondere auf Unternehmerebene
  • Binden Sie Experten mit einschlägiger Erfahrung ein (idealerweise mit vor-Ort-Präsenz)

 

Weiterführende Informationen

Als Überblick zum LkSG empfehle ich die Seite der IHK Rhein-Neckar.

 

Zum Autor Lutz Berners:

Als Internationalisierungsexperte hat Lutz Berners seit Gründung der Berners Consulting GmbH im Jahr 2009 über 100 Internationalisierungsprojekte für mittelständische und große Unternehmen im In- und Ausland begleitet. Sein Team betreut fortlaufend Lieferketten für mehrere mittelständische Unternehmen, einige davon seit über einem Jahrzehnt.

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