Bearbeitung internationaler Märkte in Zeiten von Corona und Ukrainekrieg

Lutz Berners mit einem Blogbeitrag über Sofort umsetzbare Ansätze für die Bearbeitung internationaler Märkte in Zeiten von Corona und Ukrainekrieg

Sofort umsetzbare Ansätze für die Bearbeitung internationaler Märkte in Zeiten von Corona und Ukrainekrieg

Kaum ein Auslandsmarkt lässt sich heute noch so bearbeiten wie vor drei Jahren. Nur langsam beginnt der Nachholprozess, um die wichtigen Ansprechpartner in internationalen Absatzmärkten wieder persönlich zu sehen – ein Lichtblick. Auf der Beschaffungsseite hingegen ist von Entspannung noch lange keine Sicht. Zeit für eine Bestandsaufnahme aus unserer Beratungspraxis und einen Ausblick.

 

Internationale Absatzmärkte: Nachholen und Vorbauen

Unternehmen mit funktionierenden lokalen Vertriebs- und Distributionsketten in den Absatzmärkten hatten während der Pandemie oft Glück im Unglück, da ihr Export zumindest von den Abläufen her einigermaßen normal weiterlief. Einflüsse auf das Geschäft waren vor Allem im lokalen Nachfragevolumen, in der lokalen Neukundenakquise (pandemiebedingte Bewegungseinschränkungen) sowie in der persönlichen Kontaktpflege zu spüren. In den Märkten, in den nun (nach ca. 2,5 Jahren) eine Normalisierung der internationalen Reisetätigkeit eintritt, normalisiert sich das Exportgeschehen wieder. In weiterhin abgeschotteten oder stark eingeschränkten Märkten hingegen, insbesondere natürlich China, zeigen sich nun ernsthafte Verschleißerscheinungen bei den internationalen Geschäftsbeziehungen. Auch in Tochtergesellschaften erleben wir einen „Boom“ an Compliance- und Steuerungsproblemen. Ganz ohne Besuche aus der Zentrale geht es halt doch nicht.

Exporteure, die vor Allem über direkte Aktivitäten (Geschäftsreisen) Vertriebsabschlüsse tätigten, oder die z. B. für die Inbetriebnahme Mitarbeiter in den Markt entsenden mussten, hatten es ungleich schwerer. Für diese Unternehmen kam es fast durchweg zu massiven Einschränkungen und zu entsprechenden Einbußen bei Umsatz und Kundenbeziehungen. Während dieser Effekt, wie oben beschrieben, für viele Märkte nun abebbt, ist er insbesondere in China noch ungebrochen. Leider ist die naheliegende Abhilfemaßnahme, nämlich der Aufbau einer lokalen Präsenz z.B. über einen Firmenpool, momentan auch erschwert, denn ganz ohne persönlichen Kontakt lässt sich ein lokaler Mitarbeiter nur schwer einarbeiten. Dennoch ist die Einstellung eines lokalen Mitarbeiters in unserer Erfahrung eine der effektivsten Maßnahmen, um im lokalen Markt wieder verstärkt Präsenz zu zeigen.

Wir erleben insgesamt nun einen enormen Nachholeffekt bei Geschäftsbesuchen unserer Kunden in ihren Absatzmärkten. Gepaart mit eingeschränkten Flugkapazitäten (bedingt auch durch den Personalmangel an Flughäfen) ergeben sich Engpässe bei den tatsächlich durchführbaren Reisen.

Dennoch raten wir unseren Kunden, die geplanten Reisen so bald wie möglich durchzuführen, denn die Corona-Prognosen für den Herbst sind nicht sehr optimistisch. Es kann wieder zu erheblichen Einschränkungen im Reiseverkehr kommen, abgesehen auch von möglichen lokalen Quarantäne-Anordnungen.

Daher empfehlen wir unseren Kunden die konsequente Anwendung folgender Vorgehensweise:

  1. Erfassung und Priorisierung des tatsächlichen Bedarfs für persönliche Treffen
  2. Verteilung der Reisen auf mehrere Mitarbeiter
  3. Zügige Abarbeitung des Reiseplans

Während der Reisen sollte darauf Wert gelegt werden, sich gemeinsam mit den lokalen Ansprechpartnern auf mögliche kommende Einschränkungen vorzubereiten. Hierzu gehört sowohl das gemeinsame Ziehen einer Bilanz der bisherigen „virtuellen Zusammenarbeit“ als auch die konkrete Definition von Vorgehensweisen bei zukünftigen Einschränkungen. Insbesondere die „weichen“ Faktoren der Beziehungsarbeit, die sich per Telekommunikation nicht so gut bearbeiten lassen, sollten während des persönlichen Zusammentreffens intensiv nachgeholt werden. Es sollten zudem gemeinsam Instrumente entwickelt werden, um in der Zukunft auch auf der Beziehungsebene aktiv weiterzuarbeiten. Hierbei sollten auch die technischen Aspekte, z. B. die Auswahl und optimierte Nutzung von Telekommunikationsplattformen nicht vergessen werden.

Insgesamt sind die von uns betreuten Exporteure vorsichtig optimistisch, was die Post-Corona-Aussichten außerhalb Chinas angeht. Schwer vorhersagbar bleiben allerdings die konjunkturellen Risiken in den globalen Krisengebieten. Ob zu diesen neben der Ukraine demnächst auch die Region um Taiwan zählen wird, bleibt abzuwarten.

 

Internationale Beschaffungsmärkte: Krise ohne Ende?

Die letzten zweieinhalb Jahre haben nahezu jedes potenzielle Risiko internationaler Wertschöpfungsketten real werden lassen: Rohmaterial-Verfügbarkeit, Produktionsunterbrechungen bei Lieferanten und ihren Vorlieferanten, Logistikengpässe in jeder erdenklichen Ausprägung … angesichts der Dreifachschlag aus China-Abschottung, Ukraine-Krieg und China-Lockdowns gebührt den Supply Chain Managern der Industrie höchste Anerkennung.

Wir erleben in unserem Tagesgeschäft hautnah, wie sich starke, gewachsene Beziehungen mit den Akteuren der Lieferkette positiv auf die Krisenbewältigung auswirken. Hinzu kommt das Führen des Ruders mit ruhiger Hand in stürmischer See, was wir bei all unseren Kunden beobachten. Während chinesische Lieferanten uns von Panik-Bestellungen vieler Kunden berichteten, die letztlich aber auch wieder massenweise storniert wurden, fielen unsere Kunden (wie wahrscheinlich die meisten Mittelständler) durch überlegtes und nachhaltiges Bestellverhalten positiv auf.

Ebenso positiv werteten die Lieferanten den direkten und pro-aktiven Kontakt unserer Kunden. Hierbei setzten wir auf eine Mischung aus persönlicher Präsenz vor Ort durch unsere Repräsentanten und (durch uns moderierte) Videokonferenzen unserer Kunden mit den Lieferanten. Es ergab sich hierdurch nicht nur ein adäquates Substitut für die momentan wegfallenden China-Reisen, sondern darüber hinaus auch eine effektive Plattform für eine bessere und tiefere Kommunikation zwischen den Experten und den Entscheidungsträgern der Kunden und der Lieferanten.

Es ist hierbei wichtig, sich die Perspektive der chinesischen Lieferanten vor Augen zu führen. Die Abschottung Chinas betrifft ja nicht nur Geschäftsreisen, sondern auch das Internet. Selbst (aus unserer Sicht) einfach recherchierbare Sachverhalte waren für die Vertriebsmitarbeiter der chinesischen Lieferanten oft nicht zugänglich, sei es aufgrund von Internet-Beschränkungen oder fehlender Recherche-Erfahrung im internationalen Web. Zudem fielen die regelmäßigen internationalen Reisen der chinesischen Vertriebsmannschaft weg, welche in normalen Zeiten die Kundenbeziehungen unterstützten und Neukundenakquise ermöglichten, wichtige Informationen aus den Zielmärkten ergaben und Impulse für die Weiterentwicklung von Produkten und Leistungen setzten. Daher erleben wir, dass sich die Beziehungen unserer Kunden zu den Lieferanten eher intensivierten als abbauten.

Inzwischen haben sich die Wege der elektronischen Kommunikation und Kooperation eingespielt, und wir merken vermehrt den Bedarf nach persönlichen Treffen. Nach voraussichtlich drei Jahren hoffen wir Anfang 2023 wieder auf direkten Austausch zwischen Deutschland und China. Viel länger sollte die Pause nicht sein, denn jede Kooperation benötigt letztlich zumindest gelegentliche persönliche Kontakte.

Die folgende Herangehensweise ist in unserer Erfahrung besonders effektiv:

  1. Priorisierung der Lieferanten und Festlegen der Vorgehensweise je Lieferant
  2. Enge direkte (Video-Konferenz) Abstimmung mit den wichtigsten Lieferanten
  3. Realitätsgetreue Darstellung der eigenen Nachfragesituation (Vermeidung von vorsorglichen Doppelbestellungen etc.)
  4. Abgestimmte Krisenprävention gemeinsam mit den Lieferanten, z.B. Aufbau von zusätzlichen Pufferlagern, Optimierung von Logistikkapazitäten etc.
  5. Regelmäßige (z. B. halbjährliche) Videokonferenzen zwischen Kunden und Lieferanten
  6. Persönliche Besuche vor Ort, mindestens jährlich, durch lokale Repräsentanten

 

Fazit:

Die Lage der Welt wird in den nächsten Jahren nicht simpler werden. Steigende Komplexität und Risiken ergeben sich insbesondere in Osteuropa und Ostasien. Frühzeitige und konsequente Vorbereitung hierauf kann insbesondere für mittelständische Unternehmen essenziell sein. Wichtig ist hierbei nicht nur die Konzeption einer mehrstufigen Absicherungsstrategie (z. B. Pufferlager, Telekommunikation mit den Lieferanten), sondern insbesondere auch ihre vorbeugende konsequente Anwendung in nicht-Krisenzeiten. Der Abschluss einer Versicherungspolice lohnt sich auch nur, BEVOR das Risiko eintritt.
 

Zum Autor Lutz Berners:

Als Internationalisierungsexperte hat Lutz Berners seit Gründung der Berners Consulting GmbH im Jahr 2009 über 100 Internationalisierungsprojekte für mittelständische und große Unternehmen im In- und Ausland begleitet. Sein Team betreut fortlaufend Lieferketten für mehrere mittelständische Unternehmen, einige davon seit über einem Jahrzehnt.

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